Design Transfer
Parklet-Prototypen in Graz
Eine hohe Lebensqualität in der Stadt bekommt in Zeiten des fortschreitenden Klimawandels eine neue Relevanz. Mithilfe der Schaffung eigener Zonen im Stadtraum – zum Beispiel Parklets – kann ein Teil des Straßenraums zugunsten der Menschen zurückgewonnen werden. Parklets sind kleine Inseln in der Stadt, die zum konsumfreien Verweilen einladen und eine Alternative zu Gastgärten oder Parkbänken darstellen. Im Rahmen des Designmonat Graz 2021 wurden vier Parklets als Prototypen umgesetzt. Die Creative Industries Styria war Initiatorin des Projekts und begleitete und moderierte den gesamten Prozess.
Parklets für Graz

Seit den 2000er-Jahren existiert die Idee von Parklets. Weltweit machen Menschen aus Parkplätzen Grünoasen, Sitzgelegenheiten oder Gastronomiezonen. Im Rahmen des Designmonat 2021 wurden auch in Graz erstmalig Parklets umgesetzt. Die Entspannungsinseln im öffentlichen Raum sind temporär aufgestellte Sitzgelegenheiten in der Größe eines Autoparkplatzes mit rund 12 Quadratmetern. Sie sollen Design sichtbar machen und gleichzeitig zeigen, wie Orte sich durch eine neue Benutzbarkeit verändern können.

 

Die Creative Industries Styria setzt regelmäßig neue Impulse im öffentlichen Raum, treibt die Entwicklung innovativer Projekte voran und beurteilt wie diese in der Öffentlichkeit angenommen werden. Im Rahmen des Designmonat Graz 2021 wurden acht Architektur- und Designstudios aus dem Netzwerk der Creative Industries Styria eingeladen, ihre Skizzen und Ideen zu Parklets zu präsentieren. Vier der acht Entwürfe wurden zur Umsetzung als Prototypen empfohlen. Ziel war es, mit qualitätsvollen architektonischen Interventionen kleine gestalterische Hotspots zu schaffen. In der Stadt Graz haben diese Verweilzonen – Sitzgelegenheiten oder auch neuer Raum für Pflanzen oder Fahrräder – einen Platz bekommen. Die Umsetzung wurde gemeinsam mit Tischlereibetrieben des Holcluster Steiermark abgewickelt. Das verwendete Holz – Accoya – wurde von Hechenblaickner gesponsert.

 

Die 8 teilnehmenden Architekturbüros

 

Für die Umsetzung der Parklets wurden qualitative Entwürfe gesucht, die umsetzbar und benutzerfreundlich sind.

 

Technische Kriterien

  • Inclusive, einladend und selbsterklärend für alle Menschen
  • Verletzungsgefahr soll möglichst ausgeschlossen sein
  • Größe eines Autoparkplatzes
  • Keine mobilen Elemente
  • Wartungs- und Pflegefreundlich
  • Verwendeter Werkstoff: Holz
  • Integration von Pflanzen

Die Rolle der Creative Industries Styria

Mit dem Design Transfer Programm widmet sich die CIS der Vermittlung von Dienstleistungen und dem Bau von Brücken zwischen Unternehmen, Institutionen und Designstudios. Sie vermittelt, begleitet, moderiert und vernetzt entlang der Wertschöpfungskette von Kreation, Produktion und Distribution als neutrale Servicepartnerin zwischen Design und Business. So auch im Fall des Projekts „Parklets für Graz“. Die CIS begleitet den gesamten Produktentwicklungsprozess von der Einladung der Architekturbüros, dem Wettbewerbsmanagement bis zur Fertigung der Prototypen und der Endpräsentation.

Die vier ausgewählten Konzepte

BRAUCHST

Das Konzept von DI Gernot Pichler von BRAUCHST behandelt einen ruhigen, schlichten Aufenthaltsort, der in der urbanen Umgebung für Entschleunigung sorgt. Der modulare Aufbau gestattet viele Möglichkeiten, um auf unterschiedliche Standorte individuell eingehen zu können. Man kann sitzen, liegen, sich unterhalten, ein Buch lesen und vieles mehr und durch die angenehme Atmosphäre wird leicht aus einer kurzen eine lange Pause. Mittels einer Vielzahl an Holzlamellen wechselt die Struktur rhythmisch zwischen offenen Teilen, die zum Sonnenbaden einladen, anderen die Schutz bieten, Schatten spenden und Rückzugsorte bilden. „Konstruktiv wird nichts versteckt, jede Verbindung der Holzformate ist sichtbar“, so Pichler. Darüber hinaus erstreckt sich ein grüner Baldachin aus heimischen Kletterpflanzen, Kräutern und Blumen über den gesamten oberen Teil der Struktur. Dieser spendet Schatten, kühlt an heißen Sommertagen und hüllt den Ort in eine vielfältige aromatische Geruchskulisse.

Entwurf & Umsetzung: BRAUCHST

FIPE Architects

Das Team von FIPE Architects hat mit ihrer Idee versucht, herkömmliche Sitzgelegenheiten neu zu denken. Die Form leitet sich einerseits aus ergonomischen Gedanken ab und versucht andererseits eine Entsprechung zu dem Material der Parklets, dem neuseeländischen Accoya Holz zu finden. „Wir wollten Neuseeland mit Graz verbinden“, so Michael Petar und Markus Fischer, Gründer von FIPE Architects. Anders als in der Heimat des Accoya Holzes, sind die Surf-Möglichkeiten in Graz begrenzt. Das Konzept „Surfin‘ Graz“ von FIPE Architects soll dies nun ändern. Eine hölzerne Welle schwemmt die zugeparkten Straßen der Stadt frei und lädt zum „City Surfen“ ein. Um auch im Trockenen surfen zu können, mit einem kühlen Getränk in der Hand, allein oder in der Gruppe, entstand die Idee der Welle. Zu Ehren des 10-jährigen UNESCO of Design Jubiläums der Stadt Graz versucht das Team mit Einfachheit und Eleganz, die Aufmerksamkeit der vorbeispazierenden NutzerInnen zu erreichen und ihr Interesse an Design zu wecken.

Entwurf: FIPE Architects
Umsetzung: COMMOD HOUSE

Studio WG3

Das Konzept von Studio WG3 zeichnet sich vor allem durch Flexibilität aus. Es ist modular aufgebaut und bietet die Möglichkeit für viele weitere optionale Funktionen: z.B. eine Solarstationen für Mobilgeräte, Fahrradabstellplätze oder integrierte Müllsysteme. Die Idee kam auf, weil ein Outdoor-Bereich vor dem Büro der perfekte Platz für die Mittagspause wäre. „Einer der wichtigsten Punkte für uns ist die Begrünung der Stadt durch Module für Pflanzen“, so Matthias Gumhalter von Studio WG3. Das Team hat versucht neue interessante Strukturen zu schaffen, die sowohl auf einem Parkplatz als auch auf einem Platz funktionieren. Durch die geometrische Form können sich die Module auch perfekt an Parkplatzlinien anpassen.

Entwurf: Studio WG3
Umsetzung: Tischlerei Kumpusch

Architekt DI Reinhold Tinchon

Die Idee von Architekt Reinhold Tinchon und Architekt Armin Ibounigg bezieht sich auf ein Gesetz zu Bodenmarkierungen für das Verbot des Aufstellens von Fahrzeugen. Danach müssen Flächen, auf denen nicht geparkt werden darf, mit einer Zickzacklinie gekennzeichnet werden. Daraus entwickelte das Team „ZickZack“, eine dreidimensionale Umsetzung einer Freihaltefläche. Diese soll als Barriere zwischen dem fließenden Verkehr und dem Fußgängerbereich dienen. „Zu den vielseitigen Nutzungsmöglichkeiten kommt außerdem die Integration von dreieckigen Pflanzentrögen als Straßenbegrünung und Schattenspender hinzu“, so Tinchon und Ibounigg. Zusätzlich mögliche Funktionen wären Lademöglichkeiten für Mobiltelefone, integrierte Mülleimer oder Sonnenschirme.

Entwurf: Architekt DI Reinhold Tinchon und AI-D Architektur
Umsetzung: Fritz Friedrich. Gut Holz.

Die vier weiteren Konzepte

epps Architekten

DI Petra Simon und ihr Team von epps Architekten entwickelten die Idee des Stadtparketts, ganz nach dem Motto: „Es braucht nicht viel für ein Wohnzimmer in der Stadt“. Am Beispiel des Kaiser-Josef-Platzes lässt sich das Konzept gut beschreiben. Dort gibt es lediglich eine Asphaltfläche und temporäre Holztische für die Marktbespielung, die sich die Menschen auf verschiedenste Weise nach der Marktzeit aneignen. Daher ist es für Simon wichtig, dass das Möbel nicht überdefiniert ist und NutzerInnen vielfältige Möglichkeiten haben es in Besitz zu nehmen. „Wir wollen so ein Wohnzimmer transponieren und es in Form eines Stadtparketts buchstäblich auf die Straße bringen“, so Simon. Menschen können sitzen, liegen, spielen, gärtnern und vieles mehr und das ohne verpflichtenden Konsum.
http://www.epps.at

©epps Architekten

HoG Architektur

Martin Emmerer und Clemens Luser (HoG collective) haben elf verschiedenfarbigen Module entwickelt, die gemeinsam ein Stadtmöbel mit großem Wiedererkennungswert bilden. Ihr Prinzip war es, mit offenen Augen durch die Stadt zu gehen und herauszufinden, für welche Handlungssituationen im öffentlichen Raum es keine Möbel gibt. Der Lendplatz, auf dem sich die Menschen selbst Sitz- und Stehplätze aus den Markttischen zusammenbauen, ist ein passendes Beispiel dafür. „Es ging uns um das Zergliedern und Segmentieren von Funktionen (Sitzen im Grünen, Essen, Trinken, Reden), die der öffentliche Raum braucht. Die einzelnen Module ergeben in Addition wieder eine Landschaft-ähnliche Struktur, die sich die Bewohner der Stadt aneignen können“, so Emmerer.
http://www.hog-architektur.com

©HoG Architektur

KUESS Architektur

Das Team um DI Nina Kuess von KUESS Architektur hat sich ein Konzept rund um die Triangel überlegt. „Triangle ist eine raumbildende Stadtmöblierung die als Rückzugsoase im Großstadtjungle attraktive Verweilmöglichkeiten bietet“, so Nina Kuess. Die Triangel dient hierbei als Skelett, in das die Stadtmöbel hineingebaut werden. Entweder als geschlossene Triangel, die als 2 Meter hohen Pflanzentrog dient oder als offene Triangel, die eine Sitzfläche, inklusive Rückenlehne und Sonnenschutz für NutzerInnen bietet. Das Holzmöbel bildet in verschiedenen Kombinationen Raum im Stadt- und Straßenraum, belebt Parkplätze und kann sich auch flexibel in den Stadtraum weiterentwickeln.
https://www.kuess.cc

©KUESS Architektur

AVA – Andrea Vattovani Architecture

Das Ziel von Andrea Vattovani Architecture ist, die Schaffung einer Art Landschaft, die liegen, sitzen, stehen, arbeiten, kommunizieren, lesen und vieles mehr ermöglicht. Das bietet „LAYers“, ein multifunktionelles städtisches Mobiliar. “Bei der Gelegenheit ein Parklet gestalten zu dürfen, war es uns besonders wichtig möglichst viele verschiedene Menschen, Bedürfnisse und Situationen mit einzubeziehen, um so einen Mehrwert für die Stadt zu schaffen”, so Igor Kolonic von AVA. Die straßenseitige Rückenlehne ist etwas erhöht, um Schutz vor dem Straßenverkehr zu bieten und ein Sicherheitsgefühl zu geben.
https://andreavattovani.com

©AVA - Andrea Vattovani Architecture