Am Beginn stand eine Initiative des Grazer Stadtrats Kurt Hohensinner. Der Stadtverantwortliche für das Ressort Soziales beauftragte den gemeinnützigen Verein „ERfA – Erfahrung für Alle“, ein Grazer Modell einer barrierefreien und altersgerechten Bank für den halböffentlichen Raum zu entwickeln und diese in Folge in den ERfA-Werkstätten produzieren zu lassen. Eine Idee mit einem mehrfachen und nachhaltigen Nutzen: So sollte das neu geschaffene Produkt für den Verein neue Möglichkeiten auftun, zusätzliche Aufträge und damit Beschäftigung zu generieren. Schließlich sind Beschäftigungsmöglichkeiten am sogenannten dritten und zweiten Arbeitsmarkt die Kernaufgabe des Vereins – mit dem Ziel, zumeist langzeitarbeitslose Menschen wieder an den zweiten bzw. den regulären ersten Arbeitsmarkt heranzuführen. „Mit einem neuen Produkt in unserem Portfolio ergeben sich naturgemäß neue Chance in der Beschäftigung“, erklärt ERfA-Geschäftsführerin Maria Ulm. Eine Bank als Türöffner für neue Perspektiven. Dazu kommt, dass die derzeit bestehenden Bänke im Raum in der Stadt Graz kaum seniorengerecht gestaltet sind. Eine Lücke, die es mit diesem Projekt zu schließen galt.
Barrierefreiheit und Altersgerechtigkeit waren somit oberstes Ziel in der Entwicklung des Produkts. Die Tücken einer professionellen Produktenwicklung wurden den ERfA-Verantwortlichen schon in einer früher Phase bewusst. „Wir verfügen zwar über eine Tischlerwerkstatt mit einem erfahrenen Tischlermeister, aber Gestaltung und Design erfordern ein Know-how, das wir doch lieber den Profis überlassen wollten“, betont Maria Ulm. Daher entschied ERfA kurzerhand, die Creative Industries Styria (CIS) für die Produktentwicklung mit ins Boot zu holen, um den Entwicklungsprozess zu organisieren und zu moderieren. Die Creative Industries Styria lud drei Designstudios aus ihrem Netzwerk ein, Entwürfe für eine barrierefreie Bank kreieren und bis zum Bau eines Prototyps weiterzuentwickeln. Ein entscheidendes Kriterium dabei bildeten die beschränkten technischen Möglichkeiten der ERfA-Werkstätte und ein eng gesteckter Kostenrahmen. Dazu kamen die ergonomischen Vorgaben ans Design wie eine erhöhte Sitzposition mit optimalem Sitzwinkel sowie eine bequeme, hohe und eher steile Rückenlehne. Zu Altersgerechtigkeit zählen auch leichte Abrundungen der vorderen Banklatte, um das Hinsetzen und Aufstehen zu erleichtern, sowie griffige und ausreichend hohe Armlehnen zum Auf- und Abstützen.
Technische Machbarkeit, ökonomische Leistbarkeit und beschränkte Gestaltungsmöglichkeiten durch die Ergonomie – so die limitierenden Leitplanken für die Designer, die damit vor der Aufgabe standen, Kosten, Funktion und hochwertige Gestaltung in Einklang zu bringen. Weiterer Aspekt des Projekts: Das Design sollte auch einen Graz-Bezug aufweisen.
Nach einem genauen Briefing hatten die Designer vier Wochen Zeit, ihre Ideen auszuarbeiten. Die drei Entwürfe wurden bis zur Herstellung eines Prototyps weiterentwickelt. Der Bau der Prototypen erfolgte in enger Abstimmung mit Tischlermeister Manfred Pranger von der „Lehrlingsausbildung & Fachanleitung Tischlerei“ bei ERfA, der für den Prototypenbau ebenso verantwortlich zeichnet wie für die künftige Fertigung der Kleinserie des Sieger-Entwurfs. „Es war durchaus eine Herausforderung, die Entwürfe der Designer im Rahmen unserer beschränkten Möglichkeiten umzusetzen“, erklärt Pranger. „Aber mit viel gutem Willen, großem Einsatz, einer Portion Improvisation und unseren guten Kontakten zu Partnerbetrieben konnte das Projekt erfolgreich gemeistert werden.“ Vor allem die gute Zusammenarbeit mit Schlossereibetrieben für die Fertigung der Metallteile war entscheidend für das Gelingen. Auch für die Fertigung der Kleinserie ist künftig eine Kooperation mit der Schlosserei-Werkstätte des bfi Steiermark – ebenso im Rahmen eines Sozialprojekts – angedacht.
Ziel von Stadtrat Kurt Hohensinner ist es in weiterer Folge, in allen 17 Grazer Stadtbezirk jeweils eine Bank aufzustellen. Aber auch Folgeaufträge bzw. höhere Stückzahlen sind künftig denkbar bzw. erwünscht. Als mögliche Aufstellungsorte für die neue Bank gelten Parks und Grünanlagen, Fußgängerzonen, Haltestellen öffentlicher Verkehrsmittel, Seniorinnenheime und altersgerechte Wohneinrichtungen, Krankenhäuser und Reha-Kliniken.
„Für ältere Menschen sind die Nutzung des (halb-)öffentlichen Raums und der Austausch mit anderen Menschen ganz entscheidend. Dies bedeutet Lebensqualität und Teilhabe und macht öffentlichen Raum zu einem Begegnungsraum für alle Generationen“, fasst Stadtrat Kurt Hohensinner die Grundidee zur neuen Bank zusammen.
Dass der Stadtrat und die ERfA sich dabei bewusst für eine Unterstützung durch die CIS entschieden haben, unterstreicht die Vorbildwirkung für das Thema Design im (halb-) öffentlichen Raum und seine Bedeutung für Graz. Somit ist das Projekt ein gelungenes Beispiel für die Zusammenarbeit von Auftraggebern und Designstudios und die wichtige Brückenfunktion der CIS. Die Stadt Graz nutzt gemeinsam mit dem Verein ERfA das Potenzial lokaler Designstudios und setzt somit ein sichtbares Zeichen als UNESCO City of Design. Mit einem klaren Mehrwert für die Gesellschaft. Schließlich macht gutes Design das Leben aller angenehmer.
Die Rolle der Creative Industries Styria
Mit dem Design Transfer Programm widmet sich die CIS der Vermittlung von Dienstleistungen und dem Bau von Brücken zwischen Unternehmen, Institutionen und Designstudios. Sie vermittelt, begleitet, moderiert und vernetzt entlang der Wertschöpfungskette von Kreation, Produktion und Distribution als neutrale Servicepartnerin zwischen Design und Business. So auch im Fall des Projekts „Barrierefreie und altersgerechte Bank für Graz“. Die CIS begleitete den gesamten Produktentwicklungsprozess von der Einladung der Designer, dem Briefing bis zur Fertigung der Prototypen und der Endpräsentation
Fokus auf Funktion | Design: LUKAS KLINGSBICHEL studio for design
Die Konzentration in der Herangehensweise des Designers Lukas Klingsbichel lag ganz auf den funktionalen Aspekten der Sitzbank sowie auf den Bedürfnissen der Menschen. „In meinem Entwurf sind die Funktion der Bank und ihr formaler Graz-Bezug klar getrennt“, erklärt der Designer von „LUKAS KLINGSBICHEL studio for design“. Gelungen ist dies durch die Umsetzung einer betont schlichten und reduzierten Form, die den ergonomischen Vorgaben vollkommen entspricht und durch zeitlose Klarheit besticht. Der Graz-Aspekt wird bei Klingsbichel durch eine Uhrturm-Plakette in der Mitte der Bank eingelöst. „Der Uhrturm steht wie kein anderes Symbol für Graz und genießt überregionale Bekanntheit. Damit wollte ich von vorneherein Kompromisse in der Funktionalität des Objekts ausschließen. Zudem bietet das Logo der Stadt neue Chancen in der Kommunikation für Graz-Produkte.“ Auch Ökonomie und Umsetzbarkeit in der ERfA-Werkstatt fanden besondere Berücksichtigung. Alle drei gerundeten Holzteile der Sitzbank – am oberen und unteren Ende sowie in der Mitte des Möbels – sind ident und können daher effizient und ressourcenschonend gefertigt werden.
www.klingsbichel.com
Murnockerln im 3D-Druck | Design: Florian Blamberger
Eine gelungene Kombination aus Hightech und Graz-Tradition bildet der Entwurf von Florian Blamberger. Die beiden Sockel der Sitzbank werden in diesem Modell mittels hochinnovativem 3-D-Beton-Druck hergestellt und ahmen die Ästhetik der legendären Murnockerln nach, jener Steine also, die in zahlreichen Grazer Böden und Gebäuden verewigt sind und ihre Form durch die Fließbewegung in der Mur erhielten. Sogar die Farbverläufe der Steine können mit dem 3-D-Druckverfahren abgebildet werden und verstärken damit die natürliche Wirkung, während die Textur des Materials den Hightech-Hintergrund verrät. „Durch die Steuerung der Farbverläufe ist es zudem möglich, jedem Sockel und damit jeder Bank Individualität zu verleihen“, so Florian Blamberger über die Verbindung aus Technik und Natur. Darüber hinaus zeichnet sich der Entwurf durch eine betont reduzierte Formgebung aus – insbesondere die Konstruktion des Metallgerüsts wurde schlicht gehalten. „Jede Schweißnaht und jeder Radius sind wohl überlegt. Weniger ist in diesem Falle mehr“, erklärt der Designer.
www.blamberger.net
Markanter Ohrensessel | Design: PERZ+GARTLER
„Die Herausforderung war, die unterschiedlichen Vorgaben in Einklang zu bringen, also die ergonomischen Bedingungen ebenso einzuhalten wie die Anforderungen an Wirtschaftlichkeit und Machbarkeit und dennoch eine hochwertige Gestaltung inklusive eines Graz-Bezugs zu schaffen“, fasst Petrus Gartler vom Designstudio PERZ+GARTLER die Ausgangsposition zusammen. Gelungen ist der Balanceakt mit dem Design einer in seiner Machart einfach gehaltenen, klassischen Grundform, die aber gleichzeitig einen hohen Designanspruch einlöst – insbesondere durch zwei Gestaltungselemente. Zum einen durch die markante Formensprache des Metallgestänges, das der Bank eine hohe Wiedererkennbarkeit verleiht, zum andern durch seitlich angebrachte Holzelemente, die wie Seitenteile eines Ohrensessels behagliches Verweilen suggerieren. Auch eine Graz-Referenz wurde in den Entwurf eingearbeitet. Thomas Perz: „Proportionen und Winkel der Uhrturm-Silhouette finden sich auf subtile Weise in der Unterkonstruktion der Bank wieder.“
www.perzgartler.com