Kunst der Verführung
Siegfried Gruber, Grafikdesigner und Geschäftsführer der Agentur Freepublic, gibt im Interview einen Einblick in die Entstehung der Ausstellungsreihe „Kunst der Verführung“ und spricht über seine Motivation und Gründe, das Projekt auf die Beine zu stellen.

Im Herbst 2022 finden in Graz unter dem Namen „Kunst der Verführung“ sechs Ausstellungen zum Thema Grafikdesign im Spannungsfeld von Kunst und Werbung statt. Beteiligt sind insgesamt acht Institutionen, initiiert wurde das Projekt von Grafikdesigner Siegfried Gruber. Im Interview gibt er Einblicke in den Entstehungsprozess und die Geschichte hinter dem Projekt.

Was ist das Projekt „Kunst der Verführung“ und wie kam es dazu?

Unter dem Namen „Kunst der Verführung“ werden 2022 an sechs verschiedenen Ausstellungsorten verschiedene Schwerpunkte zum Thema „Graphic Design“ gesetzt. Insgesamt sind acht Institutionen aus den Bereichen Kultur, Wissenschaft und Wirtschaft beteiligt.
“Ich komme aus einer Zeit, in der Alkohol und Zigaretten in der Werbung noch geradezu als gesund galten. Die Kunst der Werbung hat mich dennoch schon immer fasziniert. Das Genre hat mir die Augen für vieles geöffnet und mich schlussendlich direkt in unzählige spannende Projekte involviert. 2018 ist die Idee, die Entwicklung von Werbung und Grafikdesign hierzulande öffentlichkeitswirksam zu dokumentieren, erstmals aufgekommen. Es braucht einen sehr langen Atem, um ein derartiges Projekt zu vernetzen, um es gemeinsam mit allen WunschpartnerInnen an so prominenten Ausstellungsorten zu realisieren. Und den glaube habe ich auch bewiesen.”

Du bist der Initiator des Projekts und auch der Kurator einer der stattfindenden Ausstellungen. Könntest du dich und deinen Zugang kurz vorstellen?

Ich habe schon mit 12 Jahren meinen Traumberuf als Grafikdesigner gesehen und das später dann auch realisiert. Ursprünglich habe ich eine Lehre als Lithograf in einer Druckerei absolviert. In den 80er-Jahren habe ich mich dann als Grafikdesigner selbstständig gemacht und dann 1994 meine Agentur Freepublic gegründet. Ich habe mein Geld lange schwerpunktmäßig in Deutschland verdient – zeitweise hatte ich sogar ein Büro in Berlin – aber auch andere internationale Erfahrungen gemacht. Obwohl ich mich nicht so sehr in der steirischen Agenturszene herumgetummelt habe, habe ich trotzdem eine große Affinität zum Kreativ-Standort Steiermark und schätze auch sehr viele Branchenkollegen, die großartige Arbeit leisten. Mir macht der Job noch immer sehr viel Spaß, ich bin aber auch am Reflektieren und das war eigentlich der auslösende Grund für dieses Projekt.

Alles für die Reise © Heinz Reichenfelser um 1930 // GrazMuseum

Wie hat das Projekt über die letzten Jahre Gestalt angenommen? Kannst du uns da durchführen?

Im Juli 2018 sprach ich zum ersten Mal mit Branchenkollegen über die Idee und bekam viel konstruktives und positives Feedback zum Thema. Gemeinsam mit der Creative Industries Styria, Karl Stocker (FH Joanneum) und VertreterInnen der Fachgruppe für Werbung und Marktkommunikation haben wir uns Anfang 2019 zusammengesetzt. Ich begann mein Konzept zu erweitern. Studierende des Studiengangs Ausstellungsdesign an der FH Joanneum arbeiteten zwischenzeitlich an Ideen, wie eine Ausstellung zu diesem Thema gestaltet werden könnte. Mitte des Jahres konnte ich Frau Dr. Steiner überzeugen und das Kunsthaus Graz als Partner gewinnen, mit ihrer Hilfe waren bald das Kulturzentrum bei den Minoriten und das Graz Museum an Bord. Die Creative Industries Styria und das Institut für Design und Kommunikation der FH Joanneum wurden eingebunden. Etwas später folgte dann auch das Haus der Architektur. Seit Dezember 2020 treffen wir uns regelmäßig zu Meetings. Ich finde es toll, in welcher Form sich das Projekt mittlerweile verdichtet hat und denke, es gibt nichts Vergleichbares, das je zu diesem Thema stattgefunden hat.

“Ein super spannendes Projekt, das auf den ersten Blick als Aufarbeitung der ‘glorreichen’ Vergangenheit daherkommt, aber das Potential einer kreativen Revolution der Gegenwart und Zukunft in Sachen Werbung und Marketing in sich birgt”, so Gerhard Draxler, ehemaliger Landesdirektor ORF Steiermark.

Eine der Ausstellungen – 100 exciting posters – wird von dir kuratiert. Es handelt sich um eine „plakative Zeitreise über 100 Jahre“ im öffentlichen Raum. Was bedeutet das?

Die Ausstellung widmet sich der Wirkung und Gestaltung von Plakaten, mit historischen Dokumenten und Beispielen zeitgenössischer visueller Kommunikation. Sie zeigt ihren enormen Einfluss auf Gesellschaft und Kultur und richtet sich an alle, die sich für Design, Werbung und öffentliche Interventionen interessieren. Auch mit dem Ziel, die Designkompetenz der breiten Öffentlichkeit zu verbessern. Die Vielfalt der Motive kommt aus den Archiven von GrafikdesignerInnen, KünstlerInnen, Agenturen oder unterschiedlichen Sammlungen und Quellen. Ich habe einen Großteil der Plakate im Kasten. Um niemand auszuschließen bin ich aber noch für Einreichungen aktuell interessanter Arbeiten offen (Details siehe unten).

Magyar Pezsgö Borok © Ferdinand Wüst um 1900, Foto © MAK/Georg Mayer // MAK – Museum für angewandte Kunst
Franz von Humanic © Karl Neubacher um 1970 // Atelier Neubacher

Und wieso hast du den öffentlichen Raum als Schaufenster gewählt?

Das Plakat bietet sich hier an. Außerdem wollen wir wie gesagt auch die breite Öffentlichkeit erreichen. Hier arbeiten wir mit dem Partner Ankünder zusammen, um die Ausstellung bestmöglich im öffentlichen Raum darzustellen. Ich habe zu den meisten Sachen auch sehr viel Hintergrundinformation. Deshalb denke ich schon darüber nach, dass das Thema zusätzlich über Web oder Social Media dokumentiert werden könnte. Die Sammlung ist sicher auch für Schulen interessant.

Es werden sechs Ausstellungen stattfinden, acht Institutionen sind beteiligt. Was bedeutet das für den Erfolg des Projekts?

„Graphic design“ ist eine Wortschöpfung des US-amerikanischen Typografen William Addison Dwiggins, der den Begriff erstmals 1922 verwendet hat. Exakt 100 Jahre vor Eröffnung unserer Ausstellungsreihe. Wenig bescheiden formuliert wird das Thema hierzulande zum „Jahrhundertprojekt“ und hat meiner Meinung nach für Graz und die Region eine sehr große Bedeutung. Ich freue mich sehr, dass das in der Form passiert und dass die Creative Industries Styria mit diesem Projekt den Schwerpunkt auf die Kreativwirtschaft in der Werbung legt.

Über Siegfried Gruber

Siegfried Gruber ist Grafikdesigner und Geschäftsführer der Agentur Freepublic. Nachdem er eine Lehre als Lithograf absolviert hat, gründete er 1994 seine Agentur. Mit dieser ist er vorrangig im Bereich Markenentwicklung und Unternehmensvisualisierung tätig. Freepublic ist ein Ideenmanagement für alle Detailbereiche der Werbung und Marktkommunikation, insbesondere im Hinblick auf die strategische Entwicklung von Geschäftsideen, Marken und Visualisierung. Als Kreativ-Agentur mit internationalem Kow-how erarbeiten sie einzigartige Lösungen für Unternehmen.