10 Thesen zum Society-Centered Design
Text von Karl Stocker
(c) lisaschaeublin

1_Eine Welt im Wandel

Unsere Welt befindet sich inmitten eines ungeheuren Wandels. Vor allem junge Menschen sind sich der negativen Auswirkungen unseres aktuellen Wirtschaftsmodells bewusst und diskutieren neue Zugänge zur Welt: Kritisiert wird die Ungleichheit zwischen der 1., 2. und 3. Welt, man fordert Maßnahmen gegen die zunehmende Zerstörung unserer Umwelt, man engagiert sich in sozialen Initiativen und arbeitet daran, die Welt im eigenen Umfeld zu verbessern.

 

2_Hohe gesellschaftliche Verantwortung von Design

Design ist seit 150 Jahren an den Entwicklungen der industriellen Gesellschaften mit ihren Auswirkungen für Mensch und Umwelt beteiligt. Daraus ergibt sich für die Designer:innen eine hohe Verantwortung, an der Bewältigung der uns heute und zukünftig betreffenden Probleme mit gestalterischen Mitteln mit zu arbeiten.

 

3_Benutzer:innen orientiertes Design

Bis vor circa 30 Jahren interessierte im Designprozess weder Mensch noch Umwelt, es ging um den finanziellen Unternehmenserfolg und die Gewinnmaximierung. Ab der Jahrtausendwende allerdings setzte sich immer mehr durch, dass auch die menschlichen Bedürfnisse, die Fähigkeiten und Verhaltensweisen der einzelnen Nutze­r:in­nen im Designprozess Berücksichtigung finden sollten. Dieses User-Centered Design wurde damit „das“ neue Credo der Design Szene.

 

4_Individuelle Erfolge versus langfristige Folgen

Aber in einer globalisierten, vernetz­ten Welt kann etwas, das Einzelnen nutzt, vielen anderen – und auch unserem Planeten – schaden. Die negativen Konsequenzen dieser Gestaltungsmethode, die sich zu sehr auf das Individuelle konzentriert und damit gleichzeitig die politische und gesellschaftliche Dimension von Design ignoriert, sind nicht mehr zu übersehen.

 

5_Ein neues Paradigma?

Schon 1971 hat Victor Papanek in seinem Buch „Design for the Real World“ den Trend kritisiert, dass „immer nutzlosere, potenziell schädliche, verantwortungslose und aus ökologischer Sicht bedenkliche Produkte als Massenkonsumartikel produziert werden“. Er sprach sich entschieden gegen die Verantwortungslosigkeit im Design aus und entwickelte ein Radio für die Dritte Welt basierend auf einer alten Blechdose.

 

6_Society-Centered Design

50 Jahre später erfahren Papaneks Ansätze nun immer mehr Zustimmung. Viele Designer:innen geben sich nicht mehr damit zufrieden, gut betuchte Kund:nnen in ihrer Suche nach ästhetischer Abgrenzung zu bedienen, sondern beginnen ihre Rolle als Designer:innen im Kontext der immer größer werdenden Kluft zwischen Reich und Arm sowie der Umweltproblematik zu hinterfragen. Sie engagieren sich in sozialen Bewegungen, unterstützen Basisinitiativen und versuchen ganz einfach und unaufgeregt einen Beitrag zur Verbesserung der Welt zu leisten.

7_Society-Centered Design: Das Ganze im Blick

De­signer:innen müssen sich bewusst sein, dass sie Öko­systeme gestalten und nicht nur einzelne Anwendun­gen. Sie müssen über die einzelnen Nut­zer:innen und den unmittelba­ren Geschäftserfolg hinausblicken und die beste Lösung für Mensch, Gesellschaft und Natur entwickeln. Genau dieses Designverständnis bringt der Terminus „Society-Centered Design“ zum Ausdruck. Er schließt nicht nur Nutzer:innen und Business mit ein, sondern auch Gesellschaft und Umwelt – und deren vielfältige Inter­de­pen­denzen.

 

8_Society-Centered Design: Die bessere Business-Strategie

Auch Unternehmen spüren, dass es Zeit ist für einen neuen Ansatz in der Produkt­entwicklung. Konsument:innen sind heute aufgeklärter und kri­ti­scher, sie schauen genau hin, wie Produkte hergestellt und Mitarbeitende behandelt werden oder wie sich Unternehmen und Marken zu gesellschaftlichen Fragen po­si­tio­nieren. Menschen wollen einen Beitrag leis­ten zum Gemeinwohl und zum Umweltschutz. Ent­sprechend sind Unternehmen – und Designer:innen – gefragt, ihnen Produkte und Services zu bieten, die mit diesem Bedürfnis im Einklang stehen. Daraus folgt: Society-Centered Design ist keine idealistische Ideologie, sondern Wettbewerbsvorteil für Unternehmen, die heute Menschen erreichen (und Gewinn machen) wollen.

 

9_Society-Centered Design: Ein neues Mindset

Um im Sinne von Society-Centered Design zu gestalten, braucht es ein neues Mindset sowie entsprechende Strategien und erweiterte Methoden. Wichtig wäre auch die Bedürfnisse nichtmenschlicher Stakeholder – also Tiere und Umwelt – in den Designprozess zu integrieren. Dafür braucht es Wissen und Gestaltungstechniken aus dem Human-Centered Design und Usability ebenso wie aus Ökologie, Umweltwissenschaften Soziologie und Philosophie.

 

10_Zukunftsaufgabe für das Design

Vorrangig sollten die Designer:innen das ganzheitliche Denken verinnerlichen, in die tägliche Arbeit einfließen lassen und Unternehmen und Auftrageber:innen davon überzeugen, dass dieses unbedingt notwendig ist. So­cie­ty-Cente­red Design ist keine idealistische Blase, sondern verschafft Unternehmen echte Wettbewerbsvorteile. Der Schlüssel zum Erfolg ist das Kommunizieren und Entwickeln eines neues Designzugangs. Und weiter gedacht: Alles hängt von Zusammenarbeit ab – zwischen Politik, Wissenschaft, Wirtschaft, Designer:innen, Aktivist:innen und Menschen überhaupt – mit dem Ziel Lösungen zu finden und möglichst rasch eine neue Idee von Design anzudenken und umzusetzen.