Was macht den Wert von Design aus? Die Beantwortung dieser Frage gehört zu den Kernaufgaben der Creative Industries Styria, dem Netzwerk der Kreativwirtschaft für das österreichische Bundesland Steiermark. Mit zahlreichen Initiativen versucht die CIS seit 2007 das Thema Design und den Mehrwert, den Designschaffende für die Wirtschaft erbringen können, verstärkt ins Bewusstsein der Unternehmen und letztlich der Bevölkerung zu rücken. Alle Jahre im Mai findet dazu das Großevent Designmonat Graz statt. 2023 steht die Veranstaltung in der steirischen Landeshauptstadt unter dem provokanten Titel „Revolution“. Damit ist allerdings nicht die gewaltsame Absetzung der Machthaber gemeint, sondern es soll ein Aufruf sein, auf die drängenden Probleme der Gegenwart schneller zu reagieren. „Es ist im Sinne einer Umwälzung, einer Veränderung zu verstehen. Dabei gibt es eine Vielzahl von Revolutionen. Zum Beispiel im Bereich der Künstlichen Intelligenz oder in der Arbeitswelt, wo sich alles verändert. Es gibt eine grüne Revolution, eine digitale sowieso. Aber was die Klimaziele und die damit verbundenen gesellschaftlichen Veränderungen betrifft, geht das eigentlich viel zu langsam. Das heißt, es wird Revolutionen brauchen“, erläutert Eberhard Schrempf, CIS-Geschäftsführer, die Hintergründe.
Dass die kreative Community im Hinblick auf die aktuellen Herausforderungen eine wichtige Rolle spielen kann, steht für Schrempf fest, weil „wir hier nicht das glossy Design für Eliten meinen, sondern ein Design, das unseren Alltag bestimmt. Da geht es um Kommunikation, Kultur und wie wir unser Leben gestalten. Und zwar auf eine Art, die sich positiv auf die Menschen und die Umwelt auswirkt“, sagt Schrempf. Das Selbstverständnis vieler vor allem junger Designer habe sich dahingehend verändert. „Designer und Designerinnen, die ihre Ausbildung absolviert haben oder noch in Ausbildung sind, verstehen sich nicht mehr als Dienstleister der Industrie, sondern als Sparring-Partner, die mitbestimmen, warum etwas wie gemacht wird und wie viel Footprint dabei hinterlassen wird.
Design in die Gesellschaft bringen
Neben dem anspruchsvollen Hauptthema des tiefgreifenden Wandels, das mit sogenannten Revolutionsreden während des Eröffnungsabends am 5. Mai unterfüttert und mit einem Symposium am Folgetag fortgesetzt wurde, sieht es die CIS als vordringlichste Aufgaben an, Design in die Gesellschaft zu bringen, Schwellenängste abzubauen, Kontakte herzustellen und Zugänge zu ermöglichen. Ein Programmpunkt, der das in ziemlich einmaliger Weise tut, ist die Design-Clinic, eine Anlaufstelle für Design-Notfälle. Dieser humoristische Ansatz, der letztes Jahr erstmals über die Grazer Bühne ging, wurde für 2023 weiterentwickelt. „Nach dem Erfolg letztes Jahr wollen wir eine Spezialklinik im Bereich Digitalisierung andocken. Das heißt, heuer eröffnet die Digital-Clinic, wo wir wiederum die Schwelle heruntersetzen und klarmachen wollen, dass Designschaffende nicht auf einem hohen Sockel stehen, dort warten, bis sie gerufen werden und dann herunterschweben, sondern sie sind Teil des Ökosystems, in dem wir alle leben. Es muss uns gelingen, klarzumachen, dass Design etwas ist, das unseren Alltag bestimmt und zwar massiv. Alles ist designt, bleibt nur die Frage, ist es gut oder schlecht gestaltet. Und leider gibt es mehr schlecht als gut Gestaltetes“, bemängelt Schrempf.
Design in the City
Der Designmonat Graz bietet eine Mischung aus Information, Ausstellungen und Festival. Eine Initiative, die Schranken abbaut, ist vor allem „Design in the City“. Nationale und internationale Designer präsentieren ihre Werke in designaffinen Geschäften. Davon profitieren sowohl Unternehmen, weil Menschen ganz zwanglos ins Geschäftslokal kommen, als auch die Kreativen, weil ihre Stücke in ein Umfeld eingebettet sind, das mittlerweile höchste Akzeptanz bei der lokalen Bevölkerung als auch Strahlkraft über die steirische Landesgrenze hinaus besitzt. „An Design interessierte Shops kommen auf uns zu und wollen teilnehmen. Und wir sagen dann zum Beispiel, wir hätten hier den Martin Mostböck, der einen Champagner-Kühler kreiert hat und der perfekt in die Champagner-Bar von Kastner & Öhler passt. Dann gibt es ein Meet and Greet mit dem Designer und so weiter. Das bringt Publikum in die Shops, das sonst vielleicht nicht hineingeht. Es senkt die Schwelle. Und wir bieten auch Führungen an: Freitags und samstags gibt es Guided Tours“, wirbt Schrempf. Im assembly Showroom von Karin Zinganel-Wintscher und Susanna Ahvonen werden Stücke des spanischen Modedesigners Eder Aurre gezeigt, der französische Designer Guillaume Crédoz präsentiert seine Minuscule-Leuchten in der Teppichgalerie Geba und die preisgekrönte R9 TASK LAMP von Florian Blamberger ist bei digitalis zu sehen. Das sind nur einige Beispiele der insgesamt 30 teilnehmenden Grazer Shops und Kooperationen.
„Es ist ein Schirm den wir aufspannen.“
– Eberhard Schrempf
Designland Steiermark
In der Steiermark gibt es 4.800 Kreativwirtschaftsunternehmen. Rund 17.500 Menschen arbeiten in dieser Branche. „Die Kreativindustrie in der Steiermark ist stark. Der Anteil liegt bei 10 %. Das ist ein ähnlicher Wert wie in gesamt Mitteleuropa. Es gibt viel mehr Dienstleister als Direktvermarkter. Das hat mit der wirklich guten Auftragssituation zu tun. Vor allem im Industrie- und Produktdesign, aber auch im Servicedesign und in der Beratung. Wobei die Steiermark viele Mobility und Green Tech Unternehmen hat, die viel in Forschung und Entwicklung investieren und die auch verstehen, wie wichtig es ist, dass Designkompetenz in einer frühen Phase der Produktentwicklung oder der Change-Prozesse eingebunden wird“, erklärt Schrempf.
Bewusstsein für Design schaffen
Das Netzwerk CIS fördert und unterstützt die Kreativwirtschaft und hat dabei seit 2007 einiges erreicht, was die Akzeptanz und Beachtung von Design in der Gesellschaft betrifft: „Es ist sicher nicht in der Dimension passiert, wie wir uns das wünschen. Wir haben vielleicht ein 10 – 15 % besseres oder breiteres Verständnis geschaffen, aber nicht den ganz großen Schritt gemacht. Es ist ein langsamer Prozess, das habe ich inzwischen verstanden. Deshalb haben wir schon vor einiger Zeit unsere Bemühungen verstärkt, direkter auf das Publikum zuzugehen – eben im Designmonat. Natürlich sind wir in erster Linie für die Kreativindustrie da, für unsere Mitglieder, wo wir versuchen, die Brücken in die Unternehmenslandschaft hinein zu verstärken, damit die Designer vor Ort beauftragt werden und nicht eine Designagentur in London oder Hamburg“, konkretisiert Schrempf die Stoßrichtung der CIS. Zurück zur Eingangsfrage Was macht den Wert von Design aus? Hier einige Antworten: Designschaffende sorgen dafür, dass Dinge gut funktionieren, dass Dienstleistungen auf nutzerfreundliche Art und Weise angeboten werden oder das neue Marken einen starken Auftritt erhalten. Aber sie können noch mehr. In den Bereichen strategisches Design und Social Design arbeiten sie tatkräftig an einer besseren Welt mit. Nicht zuletzt – und da sind wir doch wieder bei der Ästhetik – machen sie unser Leben schöner.
Text & Interview: Markus Schraml/Formfaktor