Designmonat Graz
„Der Designmonat ist unsere fünfte Jahreszeit“
Eberhard Schrempf im Interview mit Tiago Krusse von DESIGN MAGAZINE
© Miriam Raneburger

Tiago Krusse: Abgesehen von der Arbeit und der Produktion der Creative Industries Styria: Welche Institutionen sind eine fundamentale Unterstützung für den Designmonat Graz?

Eberhard Schrempf: Der Designmonat Graz verfolgt ein etwas anderes Konzept als die meisten Design-Festivals. Wir bilden einen inhaltlichen Kontext und schaffen für alle Partner:innen eine Plattform der Sichtbarkeit. Darüber hinaus übernimmt die Creative Industries Styria als Veranstalter die Vermarktung und Kommunikation des Festivals und damit auch für alle Inhalte, Programmpunkte und Beiträge, die mit einer Mission antreten. Der Unterschied zu anderen Festivals besteht im Wesentlichen darin, dass die Partner:innen einen fertigen Programmpunkt in ein Umbrella-System zuliefern, der durch Kurator:innen auf Qualität und Relevanz gecheckt wird. So sind etwa die Designinstitute der FH JOANNEUM, University for Applied Sciences, oder die Architekturfakultät der Technischen Universität Graz wichtige Partner, wenn nicht gar Komplizen. Auch Kuratorin Alice Stori-Liechtenstein, die Betreiberin des Hollenegg Castle for Design, steuert durch ihre Initiative und Ausstellungen jedes Jahr großartige Programmpunkte bei. Das ist wichtig, weil der Designmonat dadurch von mehreren Partnern “getragen” wird. Der Designmonat versteht sich als Zeitraum, als fünfte Jahreszeit für Design. Der finanzielle Support durch das Land Steiermark, die Stadt Graz, die Tourismusgesellschaft und die Sponsoren sind natürlich eine entscheidende Voraussetzung für unseren Zugang, Design und Kreativität als relevante Treiber für Innovation beziehungsweise für die sogenannte Tripple Transition zu sein. Das heißt für die digitale, die grüne und die gesellschaftliche Transformation wesentliche Beiträge zu leisten und Designer:innen die Chance zu geben, ihre Lösungen für eine nachhaltige und lebenswerte Zukunft anzubieten. Der Designmonat verfolgt auch keine Cash-Cow-Policy. Wir wollen den lokalen Kreativen ebenso wie den internationalen eine Plattform für Sichtbarkeit, für internationalen Austausch und Relevanz bieten. Wenn sich das nur noch Studios und Unternehmen leisten können, die dafür bezahlen, dann werden wir zu einer Designmesse. Auch okay – aber das ist etwas ganz anderes.

Unter welchen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen fand der Designmonat Graz 2024 statt?

Wir sind in der Finanzierung immer wieder aufs Neue gefordert. Der Designmonat Graz ist zwar das wichtigste Ereignis im Jahr, dennoch ist seine Verwirklichung jedes Jahr eine Herausforderung.

Hat die herausfordernde finanzielle Situation das Niveau und die Qualität des Programms und der Ausstellungen beeinflusst?

Eben das nicht zuzulassen, ist eine Gratwanderung. Natürlich – wir müssen uns immer nach der Decke strecken. Gleichzeitig wird auch der Anspruch immer höher und somit wird es schwieriger, seinen eigenen Qualitätsansprüchen gerecht zu werden. Irgendwann befindet man sich in einer paradoxen Situation: Hohe Reputation geht einher mit einem hohen Anspruch und Erwartungen – denen gegenüber gleichbleibende Finanzierung bei hoher Inflation steht. Normalerweise kommt dann der gute Rat mit den dummen Sprüchen „Not macht erfinderisch“ oder „Da muss man halt kreativ werden“. Davon halte ich nichts – wir waren immer schon kreativ, sonst wären wir gar nie so weit gekommen.

Nach so vielen erfolgreichen Ausgaben mit nachweisbarem Nutzen für die Community: Wie kann es sein, dass Sie jedes Jahr weiterhin kämpfen müssen, um die finanzielle Unterstützung für die Organisation eines Festivals dieser Größe zu erhalten?

Vielleicht hat das damit zu tun, dass es offenbar nicht gelungen ist, die Relevanz dessen, was wir tun und den Nutzen, der durch den Sektor Design und Kreativität entsteht, tief genug im Bewusstsein zu verankern. Somit können die Verantwortlichen die Investitionen in die Creative Industries und ihre Veranstaltungen nicht argumentieren und verteidigen – sie gehen lieber den leichteren Weg und setzen sich dieser anstrengenden Diskussion nicht aus, weil sie glauben, dadurch besser “politisches Kleingeld” zu machen.

Wenn wir den Designmonat 2024 näher betrachten: Was waren die größten Unterschiede bei der diesjährigen Ausgabe?

2024 hatte der Designmonat Graz erstmals in seinem 15-jährigen Bestehen ein designiertes Festivalzentrum: das ehemalige Hornig-Areal hinter dem Grazer Hauptbahnhof. Das verlassene Industriegelände, früher Produktionsstätte eines bekannten österreichischen Kaffeeherstellers, war in diesem Jahr der Dreh- und Angelpunkt des Geschehens und gewissermaßen die Homebase unserer Community. Das Programm hatte seinen Schwerpunkt im Festivalzentrum und erstreckte sich von hier aus über die ganze Stadt und in verschiedene Winkel der Steiermark.

Hat die Tatsache, dass Sie als treibende Kraft und Hauptinitiator des Designmonat Graz gelten, zu Gegnern oder Neid geführt?

Natürlich gibt es immer Neid und Missgunst. Ehrlich gesagt freut mich das auch ein bisschen. Warum? Ich bin wirklich kein Masochist – obwohl ich sehr mit Leopold von Sacher-Masoch sympathisiere, der sein Schlüsselwerk »Venus im Pelz« auf das der Begriff des Masochismus zurückzuführen ist, in Graz geschrieben hat –, aber Neid und Missgunst muss man sich auch erst einmal verdienen. Wenn man erfolgreich ist und etwas geschaffen hat, darf man, mit der nötigen Demut, auch ein bisschen stolz darauf sein. Und jene Arschlöcher, die mich dafür anfeinden, haben meistens selbst nichts Adäquates vorzuweisen. Sie sehen nur das Blitzlicht und die mediale Öffentlichkeit – nicht den Schweiß und die Arbeit.

Was sind Ihre Erwartungen für die Zukunft?

Für die Creative Community hoffe ich, dass das Design-Festival erhalten bleibt. Vielleicht wird der Designmonat zur Design Biennale – die Weichen dazu sind gestellt. Natürlich wird sich das Festival entlang der dynamischen gesellschaftlichen Entwicklungen immer wieder neu erfinden müssen. Eines aber halte ich für enorm wichtig: dass man sich immer wieder Momente, Räume und Zeit nimmt, um neuen Entwicklungen und Strömungen im Design eine Plattform der Sichtbarkeit und des Diskurses zu geben. Inklusive des Experiments. Also optimistisch, neugierig und kritisch an einer besseren Zukunft arbeiten.

 

Dieses Interview ist ursprünglich auf Portugiesisch im DESIGN MAGAZINE erschienen und wird an dieser Stelle mit freundlicher Genehmigung des Autors veröffentlicht.